Bye bye starclub
Regie   Axel Engstfeld
Kamera Bernd Mosblech
Ton Achim Bahr, Michael Loeken, Ben Riesenfeld
Schnitt   Iris Pinkepank
Länge   45 Minuten
Format 16mm
Sendung 1987 ARD
Synopsis
Als Adenauer ältester Regierungschef der Welt war, Lübke durch Afrika reiste, Erhard das Wirtschaftswunder verkündete, als Eichmann in Israel hingerichtet, die USA sich in Vietnam
einmischte und Marylin Monroe Selbstmord beging, da wurde in Hamburg der Starclub eröffnet.

Im April 1962 begann ein Stück Musikgeschichte: Little Richard, Jerry Lee Lewis, Ray Charles, Chuck Berry, Tony Sheridan, The Searchers, The Beatles, Eric Burden, Cream und Jimmy Hendrix traten in der Grossen Freiheit im Starclub auf. Der Club wurde weltbekannt .

Heute 25 Jahre nach der Eröffnung wird das Haus abgerissen. Eine Ära verliert ihr Denkmal. Der Filmemacher Axel Engstfeld hat sich auf Spurensuche begeben. Ein filmischer Nachruf auf eine Epoche, die die Welt in Atem hielt.

Pressekritiken FUNK-Korrespondenz
Nr. 38/18. September 1987

Kritische Rückschau
RBr, Do 10.9.

Banalitäten ausgestellt
Axel Engstfeld: Bye bye Starclub. Reihe "Unter deutschen Dächern"

Axel Engstfelds Film handelt vom Star-Club in Hamburg und von dem, was er einer ganzen Generation bedeutet, bedeuten soll. Die Kritik des Films handelt davon und von dem, was der Film daraus machte, vielleicht auch machen wollte. Ehe von all dem die Rede ist, noch zwei notwendige Vorbemerkungen, die den Sendeplatz und die Reihe, in der der Film lief, betreffen.

Der Sendeplatz (Do, 20.15 Uhr) ist, so absurd das auch klingen mag, ein absoluter Anachronismus. Daß unter den Begriffen Information/Dokumentation angelegentlich noch Dokumentarfilme zur besten, da ersten Sendezeit, zu sehen sind, kann man—auch angesichts der häufig sich anschließenden faden Volksmusik—nur noch als rückständigen Rest einer ehedem anspruchsvollen Fernsehkonzeption verstehen. Im Reigen des üblichen Amüsement-Auftakts fällt das auf. Elmar Hügler, der als verantwortlicher Redakteur von Radio Bremen die Reihe "Unter deutschen Dächern" und damit auch Engstfelds Film betreut, hat wie nur wenige andere für diesen Termin gekämpft. Daß ein solcher Film in Auftrag gegeben und dann auch noch (wenn man die Ansage durch NDR-lntendant Peter Schiwy ob des Köpcke Abschieds hinzunimmt) an prominenter Stelle ins Programm kommt, ist ihm hoch anzurechnen. Was der Film aus dieser Möglichkeit machte, ist da erst die nächste Frage.

Zweite Anmerkung: Selbstverständlich kann man diesen Film nicht isoliert von anderen dieser Reihe betrachten, auch nicht davon, daß viele Rezensenten (in den Tageszeitungen) dieser Art von Dokumentation sichtlich zu schätzen scheinen. Denn das stark filmisch (Kamera/Montage) und zugleich selbstbewußt journalistische Konzept (Präsenz des Autors beispielsweise im allwissenden Kommentar) führt weder zu faden Allerweltfeatures, wie sie tagtäglich zu jedem und allem zu sehen sind, noch zu ausgedünnten Alltagsbeobachtungen, die die Dignität des Abzubildenden konsequent über das artistische, künstlerische Moment von Filmarbeit stellen. "Unter deutschen Dächern" präsentiert als Reihe filmisch konzentrierte Aufnahmen, die den Reiz ihrer Bilder nicht verleugnen.

Zum Film: Der spezifische Reiz des Engstfeld-Filmes besteht darin, daß hier die Geschichte einer "Popkult-Stätte" rekonstruiert werden sollte. Der Star-Club in Hamburg, mitten in St. Pauli, war in den frühen sechziger Jahren die erste Adresse für Live-Gigs von dem, was man damals Beat-Musik nannte. Die "Beatles", die den Begriff Beat-Musik nicht, wie viele heute annehmen, prägten, sondern gleichfalls entlehnten, haben hier ihre kontinentale Karriere begonnen. Nachdem die Beat-Musik sich auf dem Markt durchgesetzt hatte, zum großen Unterhaltungsfaktor aufstieg, wurde es um den Club, der in einem ehemaligen Kino eingebaut worden war, ruhiger. Erst 1968/69, als Musiker die Leitung übernahmen, gewann er sein Profil zurück, spielten hier Gruppen, die die Pop-Musik bereicherten, intensivierten, radikalisierten—beispielsweise (und allen voran) J imi Hendrix.

Doch die Rechnung ging damals nur mit einer komplizierten Misch-Kalkulation (Teenie-Gruppen spielten das Geld ein, das die experimentellen Gruppen mangels Zuschauermassen kosteten) und auf kurze Zeit auf. Dann mußte der Star-Club schließen. In den siebziger Jahren machte er erst noch einmal als spezielles Sex-Lokal Karriere, ehe er nach einem Brand auf Jahre als Ruine vor sich hin dämmerte. Engstfeld rekonstruierte einige dieser Fakten - bei weitem nicht alle—und arrangierte sie um Bilder des Abrisses. Er drehte in den Ruinen, nahm liebevoll in Zeitlupe auf, wie die Giebel am Boden zerschellten und die Abriß-Birne das Gemäuer in Staub aufgehen ließ. Er befragte Zeitzeugen, allen voran den Sänger Lee Curtis, der prompt die Erkenntnis von sich gab: "This was the mecca of pop- and beat-music!" Und er verwandte Dokumentarmaterial aus und um den Star-Club—als lllustration, als Beweis, daß seine Rede nicht falsch wäre, als Material für die Chronologie. Das Ganze, selbstverständlich mit Musik unterlegt, die vom On ins Off oder zurück wechselt, montierte Engstfeld nach den Schnittprinzipien des Spielfilms. Zeitellipsen wurden ihrer Kenntlichkeit beraubt, stattdessen wurden die Einzelaufnahmen so hintereinander gesetzt, daß sie wie die lückenlose Dokumentation eines einzelnen Vorgangs wirkten—auch dann, wenn der Filmemacher offensichtlich trickste und einen wunderbaren Fußboden im alten Gemäuer "entdeckte".

Dagegen wird nicht aus Reinheitsgründen des Dokumentarismus Einwand erhoben, sondern weil das, was Engstfeld mittels solcher Schnittfolgen zeigt, zwar elegant wirkt, aber real vollkommen belanglos ist. Anstatt tatsächlich etwas zu finden, stellt er Banalitäten, Inszeniertes, beiläufige Zeugen aus, als seien sie Kostbarkeiten.

Selbstverständlich täuscht der Eindruck, der Filmemacher habe zu diesem Mittel freiwillig gegriffen. Da er kaum Filmbilder aus dem Star-Club besaß, mußte er seine Bilder selber machen, und damit deren Armut nicht auffiel, rnußten sie per Schnitt aufpoliert werden. Schade, daß Engstfeld zu keinen anderen Möglichkeiten fand—es hätte sich ja angeboten, von den Fotos, die Günter Zint aufgenommen hat, einige nebst ihrer Entstehungsgeschichte zu zeigen, anstatt den Fotografen nur als weiteres Ausstellungsstück in den Reigen seiner Funde einzubinden. An ihnen hätte Engstfeld wie an den wenigen Filmstücken aus dem Star-Club herausarbeiten können, was in den frühen sechziger Jahren so anders war, daß jeder den Bruch der neuen Jugendkultur mit der formierten Gesellschaft des CDU-Staates als so radikal wahrnahm. Vom Krawatten-fixierten Outfit bis zu den ungelenken Bewegungen, von der Lautstärke der Musik bis zu den Songtexten vibrierte alles vom betonten Anders-Sein –Wollen, und war doch noch stark vom etablierten Leben bestimmt.

Statt dergestalt die Widersprüche aus dem Material zu präparieren, legte der Autor permanent Erklärungen über sein mangelhaft klassifiziertes Material vor. So behauptet er in seinem Kommentar wie in seinen Interviewfragen immer wieder den Zusammenhang zwischen der kulturellen Devianz der Jugendlichen im Pop und ihrer politischen Rebellion. Da aber seine Rede vollkommen unbestimmt blieb ("die 69er”), mußte auch der Zusammenhang unklar bleiben. Natürlich hängt es irgendwie zusammen, aber auch nur irgendwie. Daß das Unbehagen des Kritikers kein Einzelfall ist, bewies bereits der Film. Sowohl Zint als auch Achim Reichel antworteten auf Engstfelds diesbezügliche Fragen mit ebenso vagen Erklärungen. Zint sagte, daß der Star-Club für ihn ein "Wecker” gewesen sei, der seinem Widerspruchsgeist auf die Sprünge geholfen habe. Und Reichel behauptete, er hätte als angehender Pop-Star made in Germany von all dem nichts mitbekommen.

Damit keine Mißverständnisse aufkommen: beide Aussagen sind der Nachfrage wert, aber man kann sie nicht als Antwort und als Beleg für Engstfelds vage Thesen begreifen. Indem Engstfeld weder der sich andeutenden kleinen Geschichte des jungen Fotografen Zint nachgeht ( und sie bedauerlicherweise mit der eines Schriftstellers vergleicht, der bei einer Lesung im Star-Club kurz zu sehen und zu hören war: Hubert Fichte), noch bei Reichel nachbohrt (der ehemalige Rattles-Chef gab seine Star-Club-Geschichte sehr ausführlich in diversen Medien bereits erzählt), verstärkt er den Eindruck, daß sein Film vieles nur anreißen und ausstellen soll, aber auch nicht an einer Stelle dem nachzugehen vermochte.

Engstfeld verstärkt die Vorstellung vom Star-Club als "mythischem” Ort der deutschen Popmusik, eine Vorstellung, die ja erst zu einem solchen Filmprojekt führte. Das ist aber nichts als ein Medien-Fake, als ein großer Bluff. Der "Star-Club” war in zwei höchst unterschiedlichen Situationen für die Club-Szene von Bedeutung: 1962-1965, als er der Ort der sich firmierenden Beat-Gruppen war, die von der Tanzkapelle sich zur Konzert-Band emanzipierten, und 1968/69, als er eine Zeitlang versuchte, experimentellen Gruppen Anerkennung zu verschaffen. Ansonsten war der Star-Club ein Lokal wie viele andere auch. Aber genau darüber ist kaum ein Film zu verkaufen, auch nicht an eine (oft zu Recht gelobte) Reihe wie "Unter deutschen Dächern”.
18.9.87 – Dietrich Leder/FK




epd / Kirche und Rundfunk
Nr. 73 vom 19. September 1987

Bitter und süß

"Unter deutschen Dächern: Bye bye Star-Club", von Axel Engstfeld (ARD /RB, 10.9.)

epd Eine Legende wird umso reicher, wenn Trümmer und Ruinen den Hintergrund bilden für ihren unsterblichen Glanz. Insofern hat Axel Engstfeld genau den richtigen Zeitpunkt erwischt, um die legendäre Geschichte des Hamburger "Star-Club" zu erzählen: den des Abbruchs.

Bagger schieben Schuttmassen, es stürzen die Balken, und die an die Wand gemalten Wörter - "Love", "Peace", "The Beatles" - wirken fremd und nackt im Tageslicht "Eine Ära verliert ihr Denkmal", kommentiert der Autor - der einzig überflüssige Satz in diesem dichten und spannenden Film. Wir sehen ja außerordentlich deutlich, was da verloren geht. Sieben fette Jahre - von 1962 an - werden an ihrer ganzen Vehemenz noch einmal lebendig. Es war die große Zeit des Clubs. Fotos und Filmausschnitte von damals - Engstfeld hat sie chronologisch geordnet-zeigen, wie der Widerspruch in der allgemeinen Wirtschaftswunder-Philosophie ausgesehen hat. Als rüde und verkommen wird Rockmusik von den Statthaltern der alten Ordnung verteufelt, aber die, die sie machen, tragen die Krawatten anfangs noch genau so eng geschnürt wie ihre Väter. Erst allmählich bilden sich neue Umgangsformen heraus, es findet sich eine eigene Mode, eine unverwechselbare Sprache Der "Star-Club” ist ein Kristallisationspunkt dieser Entwicklung. Fotograf Günther Zint, ein Zeuge von damals, sieht in dieser Stimmung auch die Hefe für die Studentenbewegung von 1968: "Die Bastionen mußten sturmreif geschossen werden."

Und damit ist das dritte Element in Engstfelds Dokumentation angesprochen: Einige von denen, die in den 60er Jahren mitgemacht haben oder einfach dabei waren, kommen zu Wort. Lee Curtis, der im "Star-Club" an die tausend Auftritte hatte, geht durch das Ruinenfeld wie ein Conferencier und erinnert sich: hier war die Bühne. da haben die Mädchen gesessen, dort trafen sich die Musiker. Und halt: Es gibt noch einen wichtigen Aspekt, den der Film nicht ausklammert. Die Geschichte des Hauses in der Großen Freiheit 39 begann natürlich nicht erst mit den "Beatles``, den "Lords`` und den "Rattles' . Bis ins letzte Jahrhundert muß man zurückgehen, um das Haus als politische Versammlungsstätte kennenzulernen, auch ein Kino ist es einmal gewesen.

Es ist bitter und süß, den Erinnerungen an das Unwiederbringliche zu lauschen. Diesen Geschmack verdirbt man sich nicht durch das Hinzuziehen von Feinden. Engstfeld verzichtet darauf, die Erbengemeinschaft vor die Kamera zu zitieren, die auf dem Gelände des "Star-Club" ein Hotel plus Einkaufspassage errichten will, er läßt auch die unbegreiflich desinteressierte Hamburger Kulturbürokratie ungeschoren. Die Geschichte einer Kultstätte verlangt ungeteilte Aufmerksamkeit. Da bleibt keine Zeit für die Leute mit enger Stirn und zugeknöpftem Herzen.

Der Sound von damals, die Abrißbilder von heute und als Brücke zwischen den Welten das, was das Gedächtnis derer transportiert, die vor fünfzehn Jahren den Grundstein legten für die "Star-Club"-Legende: In Engstfelds gekonnter Kombination ist das schon ein würdiges Denkmal für einen Rock-Palast und für das Lebensgefühl einer Generation.
Monika Buschey




Frankfurter Rundschau
12.9.87

"Bye bye Starclub" (ARD).
Dieses Dach gibt es nicht mehr: die Bagger haben es heruntergerissen, die Wände zertrümmert, ein Stück Nachkriegskultur ist dem Erdboden gleichgemacht worden. Der Starclub in Hamburg, An der Großen Freiheit. Zu Bildern der Verödung und Zerstörungswut ließ Axel Engstfeld noch einmal die Geschichte dieses durch Auftritte der Beatles, von Ray Charles, Jimmy Hendriks legendären Rock´n Roll-Schuppen Revue passieren. 25 Jahre Unterhaltungsmusikgeschichte, Fernsehkulturgeschichte. Vieles wirkte schon sehr fern und befremdlich: Die Hysterie der Fans, die sterile Masche der Musiker, Bewegung auf die Bühne zu bringen, was war daran nur so aufregend, damals vor 25 Jahren? Die Musik, der neue Sound?! Damit wurde der Muff aus den alten Kleidern gefegt. Einer, wie Lee Curtis; damals auch einer er Stars des Clubs, wirkt heute viel "jünger" als damals, trotz seinem altgewordenen Kopf.

Wehmut lag über den Szenen, in denen dieser Curtis den verfallenen Ort seiner früheren Auftritte besichtigte, die Szenerie seiner Auftritte ins Leere hinein zu beschreiben versuchte. Engstfeld half ihm mit dem Mittel des guten Dokumentaristen nach, schnitt in diesen Gang zurück in die Vergangenheit die köstlich antiquiert wirkenden Filmdokumente hinein. Trauer und Komik über die verlorene Zeit. Dieser Film bot ein schönes Stück Unterhaltungsgewerbe und auch ein Stück ernsthafte Archäologie: in alten Dokumenten wurde eine Epoche beschrieben und rekonstruiert.

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