Eins in die Presse
Regie   Axel Engstfeld
Kamera Berns Mosblech
Ton Michael Loeken
Schnitt   Jean-Marc Lesguillons
Länge   45 Minuten
Format 16mm
Sendung WDR
Synopsis
Der Mann mit der Unterwasserkamera

Porträt des Fotografen Günter Zint von Axel Engstfeld

"Politische Fotografie ist in diesem Land eher unerwünscht", sagt Zint, ein Ziehkind der Hamburger Rockszene und der APO. Sein bekanntestes Bild: Studenten, die nach dem Dutschke-Attentat in einen Wasserwerferangriff der Berliner Polizei geraten sind, strecken der Wucht des Wasserstrahls ein schwarzes Kreuz entgegen, klammern sich wie zum Schutz an seinem Schaft fest. Dieses Kreuz wird zum Symbol gewaltlosen Widerstands seit 1958. Berlin, Brokdorf, Mutlangen und Wakkersdorf sind Stationen des "Front"fotografen Günter Zint, sein erstes Buch "Gegen den Atomstaat" wird 11/78 zum Bestseller, zusammen mit Wallraff dringt er ein in Zentren der Macht bei BILD, Bundeswehr und Thyssen, immer ganz unten.

Aufgewachsen ist er in einem Tal bei Fulda, das es heute nicht mehr gibt. Autobahn- und Bundesbahntrassen haben eine Reißbrettlandschaft daraus gemacht, und die Amis vom "Fulda Gap" wachen darüber, daß die Kommunisten nicht über die nahe Grenze einmarschieren. Hier, wenn man es denn "Heimat" nennen soll, entstand eins seiner letzten Fotobücher, und für Engstfelds Kamera wird noch einmal durchgespielt, was ein "von Beruf Neugieriger" da so tut: Raus aus dem Auto, ran an den Zaun vom Airfield und den düsteren Hubschauber mit seinen klatschenden Rotorblättern gegen den hellen Himmel abbilden, rechts und links dicke Schilder "Fotografieren verboten! Restricted Area". Währenddessen duckt sich die Filmkamera hinter den Wagen und dreht durch die Scheiben. Sekunden später sind die Uniformierten da. Zint zu einem schwarzen Gl, direkt und schlagfertig wie immer: "Hier hab ich als Kind gespielt. Ich fotografiere in meinem Land, und Sie fotografieren in Ihrem Land, okay?' Kein Spion also, sondern ein Liebhaber, die Polizei rückt ab.

Da sind die verhaltenen Seiten des Günter Zint, seine Zuneigung zu Menschen und Situationen, seine Verletzlichkeit und enttäuschte Liebe, die hier am Ort seiner Kindheit durchschimmern. Schade, daß Engstfeld mit seinem Faible für Spektakuläres daran vorbeigeht. Und spekulativ ist ja auch die Szene am Zaun: Laß den Zint neben einem Verbotsschild fotografieren, dann wird schon was passieren. An solchen Steilen wird die Verpackung wichtiger als der Inhalt. Engstfeld nimmt sich nur selten Zeit, mal zu warten, zu beobachten; deshalb wird auch fast durchgängig inszeniert.

Zweite Szene, Sankt Pauli, Pommesbude, wieder auf Effekt hin gedreht und geschnitten. Paar liebenswerte schräge Vögel sibzen schon da. Der zahnlose Dieter zieht einen blib.enden Revolver aus der Brieftasche, die Nutte zeigt ihre Brust und bekommt dafür nen Fuffi, wie verabredet. Hier auf der Reeperbahn ist Zint zu Hause, Wohnung und Atelier sind in einem ehemaligen Bordell untergebracht, die Miete zahlt seit zehn Jahren "Salambo"-Chef.

Eddie Durant, der seine Shows für verklemmte Herren selbst inszeniert (auch dabei sind wir Zeugen), ein Mäzen, der überrascht. Engstfeld faßt sofort nach, und da wird er so gut wie sein Protagonist: "Brokdorf und Kiez, wo ist da die Verbindung?” Zint war aus der Enge des Fuldatals nach Hamburg geflüchtet, freiwillig.

Pressekritiken Eins in die Presse - der Fotograf Günter Zint, ein Film von Axel Engstteld, gesendet im WDR 111 am D. 1.1989.

Zwischen Nutten und Zuhältern erholt er sich vom Bau- und anderen Zäunen, hier sind seine Freunde, mit denen es nie langweilig wird, wo es immer was zu lachen gibt, nicht wie da draußen in Othmarschen, wo man "schnell alt wird". Ein Mensch auf der Suche nach Heimat, die er in den gut geheizten Redaktionsstuben von dpa, Twen, Quick, Stern und Spiegel, in denen er gedient und verdient hat, nicht finden konnte. Als Fotograf fühlte er sich dort nur ausgenutzt, und die absurden Hierarchien, die er etwa beim Spiegel antraf, treiben ihm noch heute die Wut aus dem Bauch. So steuert er seine PAN-FaI,(}GmbH seit zwanzig Jahren immer hart am Konkurs vorbei, beliefert die alternative Presse gerade zum Selbstkostenpreis und finanziert sich, wie gesagt, durch den Champagner-Konsum geiler Herren und den Verkauf von Fotobüchern, von denen das großartige "Menschen am Fluß...wie lange noch?” gerade für 5 Mark verramscht wird (bei Zweitausendeins).

Engstfeld hat für das Fernsehen einen politischen Fotografen entdeckt, dessen Arbeit die jüngere Geschichte sinnfälliger als historische Abhandlungen widerspiegelt, und wenn die Militanz von Auseinandersetzungen der Gradmesser ist für gesellschaftliche und politische Veränderung, dann wird an Zints Fotos von Polizisten, Baggern und "Chaoten" eins deutlich, die organisierte Arbeiterbewegung kommt darin nicht (mehr) vor. Ballhause, Woike, Thormann und Rinka, marxistisch geschulte Arbeiterfotografen der Weimarer Republik, fühlten sich ihrer Klasse zugehörig, hatten ein sozialistisches Ziel, und sie prangerten die Armut an. Zint, von der Polizei bespitzelt und verfolgt wie seine Vorgänger, prangert den Reichtum an, den gesellschaftlichen:

Energie- und Verkehrsanlagen, deren Errichtung von einer ganzen Armada geschützt werden muß, und, die Auseinandersetzungen sind härter geworden als vor zwanzig Jahren. Wasserwerfer mit ~ atü können Knochen brechen, und gegen chemische Keulen nützt auch die Unterwasserkamera nichts mehr, die Zint sich nach den Berliner Erfahrungen zugelegt hat, getreu dem Motto des Kriegslotografen Robert Capa: "Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, bis du nicht nahe genug." Nachdenklich geworden kommt er vom letzten Einsatz in Wackersdorf zurück, spürt, daß er älter geworden ist, den Zugang zu den schwarzbunten Kids nicht mehr so richtig hinkriegt, und daß die Kräfte nachlassen. Und so stiefelt er für sein neustes Buchprojekt "Vom heißen Pflaster zum kalten Beton" wieder mal durchs geliebte, heimatliche Viertel. Im Zentrum der Betrachtung steht das erste Eros-Center der Bundesrepublik, das soeben zur Absteige fur Aussiedler umgewidmet wurde.

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